Psychische Gesundheit ist noch immer ein Tabuthema. Janna Rohloff möchte das ändern und gründet derzeit Brynja – Raum für Psychische Gesundheit. Der gemeinnützige Verein soll eine Mischung aus Kulturzentrum und Fitnessstudio für die Psyche werden. Ein Ort, an dem Kurse, Seminare und Workshops zum Thema psychische Gesundheit angeboten werden und Informationen über das bestehende Hilfsnetzwerk in Bremen vorliegen.
An einem kalten Montagmorgen habe ich mich mit Janna in ihrem Büro im Creative Hub verabredet. Nachdem ich mich an das grelle Licht und die schräge Atmosphäre der ehemaligen Doktor-Hess-Kinderklinik gewöhnt habe, macht es richtig Spaß, durch die langen Flure zu irren und sich die sehr unterschiedlichen Räume von Außen anzuschauen. Während einige Büros unbewohnt scheinen, laden andere direkt ein. Jannas Büro tut das. Ich fühle mich direkt wohl.
Janna und ich haben uns im Rahmen eines Gründungsschnupperkurs von belladonna im Frühling 2021 kennengelernt. Während ich meine Gründungsidee durch das Sichtbarmachen auf Social Media voranbringe, hat Janna Nägel mit Köpfen gemacht und ihren Job als Ergotherapeutin gekündigt, um sich voll auf die Gründung konzentrieren zu können.
Brynja – Raum für Psyche
Sobald die Vereinsgründung durch ist, startet sie ihre Crowdfunding Kampagne. Außerdem ist sie momentan auf der Suche nach einer passenden Immobilie für Brynja. Wer also wen kennt, der wen kennt, bitte melden! In den nächsten Monaten plant sie in den Konferenzräumen des Creative Hub mit ihren ersten Seminare zu starten.
Janna hat eine einprägsame coole Stimme, weshalb ich aus unserem Interview gerne einen Podcast gemacht hätte. Es wäre aber zu aufwendig meine vielen Ähhhs aus der Aufnahme zu schneiden, deshalb erst mal als Interview. Aber wer weiß. Von Janna werden wir bestimmt noch einiges hören.
Du steckst mitten im Gründungsprozess. Welche Vision treibt dich an?
Brynja soll ein Ort sein, an dem Austausch und Begegnungen stattfinden und man einfach sein kann. Ein Treffpunkt für Menschen, die sich für psychische Gesundheit interessieren und sich damit auseinandersetzen wollen.
Bei Brynja kann man sich über die unterschiedlichsten Einrichtungen, Methoden und Institutionen, die es schon in Bremen gibt, informieren. Einerseits ganz praktisch in Form von Informationsveranstaltungen, Workshops und Kursen in Kooperation mit den unterschiedlichen Einrichtungen. So können Teilnehmer*innen für sich entdecken, ob sie sich für das Thema interessieren und eventuell in die Einrichtung gehen und das Programm dort weiter machen wollen.
»Das Thema Selbsthilfe oder auch Hilfe zur Selbsthilfe ist mir wichtig.«
Janna Rohloff Gründerin Brynja – Raum für Psyche
Ich stelle mir die Atmosphäre wie in einer Bibliothek vor. Es ist möglich herumzustöbern, das Programm anzugucken und einfach für sich schauen. Was interessiert mich? Was will ich mal ausprobieren? In einem Bücherschrank sollen immer aktuelle Bücher ausgestellt werden zu dem Thema oder zu den Kursen, die gerade angeboten werden. Dann kann sich jede*r in dem Maß und zu der Zeit damit auseinandersetzen, wie er*sie möchte.
Ausprobieren soll auch bei den Kursen und Workshops ein großer Punkt sein. Einfach die Möglichkeit haben, auszuprobieren, was in der Situation, in der man sich gerade befindet, weiterhilft. Vielleicht hast du gerade ein Kind bekommen und es gibt Themen, die dich diesbezüglich bewegen. Oder du steckst gerade mitten in einer wichtigen Prüfung und kommst nicht mehr klar mit dem Prüfungsstress. Oder du hast gerade einen wichtigen Menschen verloren.
Es gibt so viele Dinge, die uns aus der Bahn bringen können. Oder es kommen Fragestellungen auf, mit denen man sich vorher noch nicht beschäftigt hat. Außerdem möchte ich durch aktive Öffentlichkeitsarbeit über das Thema psychische Gesundheit informieren. Sei es über Instagram, auf der Webseite oder vor Ort.
Warum ist dir das Thema psychische Gesundheit so wichtig?
Wir leben in einer Welt, die sehr schnelllebig ist. Jeder Mensch befindet sich irgendwann mal in einer schwierigen Situation, in der er*sie Maßnahmen ergreifen muss, um psychisch gesund zu bleiben. Dafür muss mehr im präventiven Bereich angeboten werden, bevor eine Erkrankung oder eine Notsituation entsteht.
»Ich wünsche mir, dass das Thema psychische Gesundheit in die Mitte der Gesellschaft geholt und enttabuisiert wird.«
Janna Rohloff Gründerin Brynja – Raum für Psyche
Ich habe mich selber in einer solchen Situation befunden, als meine Mutter gestorben ist und ich sie zuvor in diesem Prozess begleitet habe. Da musste ich selber gucken, wie ich auf mich aufpasse und was ich mir an Unterstützung und Hilfe holen kann. Zusätzlich zur Psychotherapie habe ich beispielsweise für mich entdeckt, dass mir körpertherapeutische Arbeit hilft.
Das herauszufinden, war ein langer Weg. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen die Möglichkeit haben, darüber informiert zu werden, was es zusätzlich zu den klassischen Wegen gibt. Dazu müssen mehr Aufklärung und niedrigschwellige Angebote stattfinden. Je mehr darüber gesprochen wird, desto eher kann unsere Gesellschaft einen anderen Zugang dazu finden.
Es wird oft gesagt, dass es nur ein Problem gibt, wenn der Leidensdruck groß ist. Es braucht aber kein akutes Problem um sich mit der eigenen Psyche zu beschäftigen. Es kann ein Thema geben, bei dem das Gefühl da ist, es könnte irgendwann zum Problem werden. Genau an diesem Punkt ist es wichtig, sich zu informieren, bevor eine Erkrankung oder Notsituation entsteht.
Es kann isolieren, wenn belastende Gefühle nicht geteilt werden. Gleichzeitig wird das Problem dadurch auch viel größer.
»Durch den Austausch mit anderen Menschen, fühlt man sich weniger allein und merkt, dass es auch anderen Menschen so geht. Die eigenen Gedanken und Gefühle sind dann auf einmal garnicht so unnormal.«
Janna Rohloff Gründerin Brynja – Raum für Psyche
Leider merke ich selbst an mir, dass die Selbstfürsorge für meine Psyche im Alltagsstress als Erstes auf der Strecke bleibt.
Auf jeden Fall, das passiert oft. Selbstfürsorge ist aber eine Voraussetzung, damit wir psychisch gesund bleiben. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass viele körperliche Erkrankungen durch mangelnde psychische Gesundheit entstehen. Wenn es uns allgemein schlecht geht, müssten wir eigentlich erst mal überprüfen, ob wir unsere Grundbedürfnisse abdecken. Aus meiner Erfahrung decken wir unsere Grundbedürfnisse oft nicht ab oder nicht ausreichend.
»Mein Anspruch ist, dass psychische Gesundheit ganzheitlicher betrachtet wird. Alles ist ein großes Ding und gehört zusammen.«
Janna Rohloff Gründerin Brynja – Raum für Psyche
Dass auch Themen wie Sexualität eine Rolle spielen, Ernährung, soziale Kontakte, Schlaf, berufliche Orientierung und so vieles mehr. Wenn das Thema psychische Gesundheit so breit angeschaut wird, werden sich viele der Wichtigkeit von psychischer Gesundheit bewusster.
Wie ist gerade dein Stand der Selbstfürsorge im Gründungsprozess?
Das ist ein großes Thema. Einerseits habe ich viel Energie, Ideen und Kreativität. Aber gerade beim Thema Selbstständigkeit muss ich immer wieder gucken, wie ich mir genug Pausen schaffe. Das Gedankenkarussell läuft ja weiter. Auch wenn ich abends im Bett liege oder in der Sauna sitze. Und da muss ich mir immer wieder sagen, dass jetzt gerade Pause ist.
Ich habe für mich auf jeden Fall Meditation entdeckt. Früher konnte ich damit nichts anfangen und es hat mich aggressiv gemacht. Mittlerweile ist es für mich nicht mehr wegzudenken, einfach nur zu sitzen, zu atmen und die vielen Gedanken wegzuschieben. Ich kann die App Headspace sehr empfehlen.
Auf welchem Weg können interessierte Menschen mit dir Kontakt aufnehmen?
Es gibt eine schöne neue Website www.brynja-raum.de und einen Instagramkanal der regelmäßig bespielt wird. Wenn es Menschen gibt, die das Projekt gut finden, gerne draufgehen, folgen und einfach eine Nachricht schreiben. Bald startet auch unsere Crowdfunding-Kampagne, da hilft natürlich jede Unterstützung – sei es ein Like oder der ein oder andere Euro. Außerdem wünsche ich mir, dass das Brynja Team wächst. Dass sich viele Menschen am Verein beteiligen mit dem, was sie selbst beschäftigt oder ihnen Spaß bringt. Es dürfen mehr Menschen werden, immer.
Text & Fotos: Nuria Fischer